10.07.–14.08.2021
Giorgia Piffaretti
Audio Installation:
“how do I know, how do I know...” (2021) 6-channel audio installation 16‘ in collaboration with Andrea Guterres text fragments out of conversations with: Wael Allouche, Maria Rull Béscos, Adriana Knouf, Rami Nahui, Marina Orlova, Natalia Śliwowska.
Technical implementation: Leandro Gianini
Audio Installation:
T-30 seconds (2021), synchronised audio, 01’06’’
D
Giorgia Piffaretti – Nel momento in cui faccio questo punto,
Wir nehmen also niemals Dinge wahr, die von unserem Geist kausal unabhängig sind, weil dies kausal unmöglich ist. Das bedeutet nicht, dass ein Vorstellungsschleier durch unser Bewusstsein zieht, der die Dinge von uns abschirmt. Das Wahrnehmungsbewusstsein ist kein Bildschirm, auf dem etwas erscheint, sondern die Erfassung objektiv existierender Information von einem Standpunkt aus, der kausal mit seiner Umgebung interagiert.
Markus Gabriel, Fiktionen
Was kann man denn überhaupt noch über den Mond erzählen? Welche filmischen Bilder könnten entstehen, die uns noch einen neuen Blick auf den zweitalltäglichsten Himmelskörper unserer Welt erlauben würden? Diese Fragen stellte sich Giorgia Piffaretti, als sie das Bedürfnis verspürte, den Mond abzufilmen. Dass aus einem ersten Impuls Kunst entsteht, kann über viele Wege passieren. In diesem Fall war es eine persönliche Anekdote, welche die Fährte legte. Ihr Vater hatte ihr erzählt, wie er als Kind vor dem Fernseher die Mondlandung mitverfolgte. Dabei hatte er auf einen Zettel geschrieben: „Dieser Punkt wurde gesetzt, als der erste Mensch den ersten Schritt auf dem Mond machte.“ Und setzte, so synchron wie es eben per Fernsehübertragung möglich war, mit dem Stift in jenem Moment einen Punkt auf das Papier.
Als Ereignis, das Mond mit Wohnzimmer und Weltgeschichte mit persönlichem Erleben verbindet, wurde diese Erzählung zur Ausgangslage für eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Fragen nach Wende- und Orientierungspunkten. Denn im Tessin, wo Piffarettis Familie wohnt, wurde im selben Jahr ein paar Monate später das Frauenstimmrecht eingeführt. So sehr wie man die Mondlandung bemühen kann als transformatorischen Augenblick in der menschlichen Selbstwahrnehmung, kann man auch sagen, dass in Tessiner Stuben das Frauenstimmrecht mehr bewegt hat. Sicher mehr als das Anbringen der amerikanischen Flagge auf dem Mond, worüber Piffarettis Mutter sich abfällig in der Videoarbeit äussert.
Entstanden ist eine mehrteilige Videoinstallation, bestehend aus einem Videoessay, Projektionen von Foundfootage aus unterschiedlichen Filmen in denen der Mond abwechslungsweise gezeigt oder angeschaut wird und einer Audioarbeit, in der Freunde aus Giorgias Ateliergemeinschaft über die Frage nachdenken, wie man wisse, wo man sei. Die gesamte Installation ist synchronisiert auf den selben Countdown, der das Geräusch eines Wasserkochers als Raketenzündung erscheinen lässt. Eine Gleichzeitigkeit die nicht gleichzeitig wahrnehmbar ist.
Text: Hannes Zulauf
E
Giorgia Piffaretti – Nel momento in cui faccio questo punto,
We therefore never perceive things that are causally independent of our minds, because this is a causal impossibility. That does not mean that a veil of illusions floats through our consciousness, shielding things from us. Perceptual consciousness is not a screen on which something appears, but the recording of objectively existing information from a point of view that interacts causally with its environment.
Markus Gabriel, Fiktionen
What is there even left to say about the moon? What filmic images could emerge to permit a fresh perspective on the second-most quotidian celestial body of our world? These were the questions Giorgia Piffaretti faced when she felt the need to film the moon. There are many ways in which art can develop from an initial impulse. In this case, the trigger was a personal anecdote. The artist’s father told her about watching the moon landing on TV as a child. While doing so, he wrote the following note: “This mark was made when the first man took the first step on the moon”. He then pressed the tip of his pen on paper to make a dot at that very moment, as synchronously as the television broadcast would allow.
As an event that connects the moon with the living room and world history with personal experience, this story became the starting point for a complex exploration of turning points and reference points. For in the canton of Ticino, where Piffaretti’s family lives, women’s suffrage was introduced just a few months later in the same year, 1969. As much as we can belabour the moon landing as a transformational moment in humanity’s self-perception, we can also argue that women’s right to vote affected homes in Ticino far more. Certainly more than planting the US flag on the moon, which Piffaretti’s mother comments on disparagingly in her daughter’s video piece.
The result of Piffaretti’s research is a multi-part video installation, composed of a video essay, projections of found footage from various films in which the moon is alternately shown or looked at, and an audio work in which friends from the Georgia’s studio community consider the question: how do we know where we are? The installation in its entirety is synchronised to the same countdown, which makes the sound of a kettle boiling seem like the ignition of a rocket. A simultaneity that cannot be perceived simultaneously.
Translated by Kate Whitebread
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10.07.–14.08.2021
Giorgia Piffaretti
Audio Installation:
T-30 seconds (2021), synchronised audio, 01’06’’
Audio Installation:
“how do I know, how do I know...” (2021) 6-channel audio installation 16‘ in collaboration with Andrea Guterres text fragments out of conversations with: Wael Allouche, Maria Rull Béscos, Adriana Knouf, Rami Nahui, Marina Orlova, Natalia Śliwowska.
Technical implementation: Leandro Gianini
D
Giorgia Piffaretti – Nel momento in cui faccio questo punto,
Wir nehmen also niemals Dinge wahr, die von unserem Geist kausal unabhängig sind, weil dies kausal unmöglich ist. Das bedeutet nicht, dass ein Vorstellungsschleier durch unser Bewusstsein zieht, der die Dinge von uns abschirmt. Das Wahrnehmungsbewusstsein ist kein Bildschirm, auf dem etwas erscheint, sondern die Erfassung objektiv existierender Information von einem Standpunkt aus, der kausal mit seiner Umgebung interagiert.
Markus Gabriel, Fiktionen
Was kann man denn überhaupt noch über den Mond erzählen? Welche filmischen Bilder könnten entstehen, die uns noch einen neuen Blick auf den zweitalltäglichsten Himmelskörper unserer Welt erlauben würden? Diese Fragen stellte sich Giorgia Piffaretti, als sie das Bedürfnis verspürte, den Mond abzufilmen. Dass aus einem ersten Impuls Kunst entsteht, kann über viele Wege passieren. In diesem Fall war es eine persönliche Anekdote, welche die Fährte legte. Ihr Vater hatte ihr erzählt, wie er als Kind vor dem Fernseher die Mondlandung mitverfolgte. Dabei hatte er auf einen Zettel geschrieben: „Dieser Punkt wurde gesetzt, als der erste Mensch den ersten Schritt auf dem Mond machte.“ Und setzte, so synchron wie es eben per Fernsehübertragung möglich war, mit dem Stift in jenem Moment einen Punkt auf das Papier.
Als Ereignis, das Mond mit Wohnzimmer und Weltgeschichte mit persönlichem Erleben verbindet, wurde diese Erzählung zur Ausgangslage für eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Fragen nach Wende- und Orientierungspunkten. Denn im Tessin, wo Piffarettis Familie wohnt, wurde im selben Jahr ein paar Monate später das Frauenstimmrecht eingeführt. So sehr wie man die Mondlandung bemühen kann als transformatorischen Augenblick in der menschlichen Selbstwahrnehmung, kann man auch sagen, dass in Tessiner Stuben das Frauenstimmrecht mehr bewegt hat. Sicher mehr als das Anbringen der amerikanischen Flagge auf dem Mond, worüber Piffarettis Mutter sich abfällig in der Videoarbeit äussert.
Entstanden ist eine mehrteilige Videoinstallation, bestehend aus einem Videoessay, Projektionen von Foundfootage aus unterschiedlichen Filmen in denen der Mond abwechslungsweise gezeigt oder angeschaut wird und einer Audioarbeit, in der Freunde aus Giorgias Ateliergemeinschaft über die Frage nachdenken, wie man wisse, wo man sei. Die gesamte Installation ist synchronisiert auf den selben Countdown, der das Geräusch eines Wasserkochers als Raketenzündung erscheinen lässt. Eine Gleichzeitigkeit die nicht gleichzeitig wahrnehmbar ist.
Text: Hannes Zulauf
E
Giorgia Piffaretti – Nel momento in cui faccio questo punto,
We therefore never perceive things that are causally independent of our minds, because this is a causal impossibility. That does not mean that a veil of illusions floats through our consciousness, shielding things from us. Perceptual consciousness is not a screen on which something appears, but the recording of objectively existing information from a point of view that interacts causally with its environment.
Markus Gabriel, Fiktionen
What is there even left to say about the moon? What filmic images could emerge to permit a fresh perspective on the second-most quotidian celestial body of our world? These were the questions Giorgia Piffaretti faced when she felt the need to film the moon. There are many ways in which art can develop from an initial impulse. In this case, the trigger was a personal anecdote. The artist’s father told her about watching the moon landing on TV as a child. While doing so, he wrote the following note: “This mark was made when the first man took the first step on the moon”. He then pressed the tip of his pen on paper to make a dot at that very moment, as synchronously as the television broadcast would allow.
As an event that connects the moon with the living room and world history with personal experience, this story became the starting point for a complex exploration of turning points and reference points. For in the canton of Ticino, where Piffaretti’s family lives, women’s suffrage was introduced just a few months later in the same year, 1969. As much as we can belabour the moon landing as a transformational moment in humanity’s self-perception, we can also argue that women’s right to vote affected homes in Ticino far more. Certainly more than planting the US flag on the moon, which Piffaretti’s mother comments on disparagingly in her daughter’s video piece.
The result of Piffaretti’s research is a multi-part video installation, composed of a video essay, projections of found footage from various films in which the moon is alternately shown or looked at, and an audio work in which friends from the Georgia’s studio community consider the question: how do we know where we are? The installation in its entirety is synchronised to the same countdown, which makes the sound of a kettle boiling seem like the ignition of a rocket. A simultaneity that cannot be perceived simultaneously.
Translated by Kate Whitebread
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