21.05.–25.06.2022
Lea Luzifer
Exhibition Views
D
Wie ich glaube, dass sich Lea Luzifer zu den Dingen verhält
Ich sage Dinge, weil mir scheint, dass der Ausgangspunkt vieler von Lea Luzifers Arbeiten erst mal das sind: Dinge. Viele Dinge. Genauer gesagt, handelt es sich um Produkte. Ich glaube, dass das meiste, was sie künstlerisch behandelt, sich aus ihrer regen Sammeltätigkeit speist. Weiter glaube ich, dass sie Dinge sammelt, die sie gerne mag. Funkelnde Dinge, fröhliche Dinge, schöne Dinge. Vieles aus dem Bereich der kreativen Freizeitgestaltung, aus einem Markt, der tendenziell Frauen mit einem traditionellen Rollenbild als Zielgruppe hat. Produkte also, die einem zum Beispiel ermöglichen, aus Plastikperlen glitzernden Schnickschnack herzustellen. Schön verpackt, feminin pink, mit dem Versprechen nach einem guten Leben in wohliger Wohnlichkeit.
Lea Luzifer verhält sich zu solchen Dingen mit Zuneigung: Sie fühlt sich von ihnen angezogen, möchte sie haben und mit ihnen arbeiten. Sie greift weiblich konnotierte Hobbies gerne auf und wenn sie diese auch mit Humor behandelt, so werden sie doch nicht ins Lächerliche gezogen oder ironisiert. Dennoch verfremdet und transformiert sie ihr Ausgangsmaterial. Hier kommt eine Haltung zum Vorschein, von der ich annehme, dass sie im Kern keinen unnötigen Respekt vor irgendwas hat, aber auch nicht auf Aggression aufbaut. Durch ein Zusammenspiel von Konvention und Transformation und ihrem Interesse an dem Schönen, scheint sie vielmehr danach zu fragen, wie wir leben wollen. Jede Konvention kann potenziell über Bord geworfen werden, doch was gefällt und Freude macht, darf auch mal bleiben, so lange sie damit spielen will.
Dies geschieht auch in ihrer Einzelausstellung Wellness Walk im Milieu. Sie präsentiert hier eine Werkserie aus auseinandergeschnittenen und neu zusammengenähten Frotteetüchern, die anschliessend auf Keilrahmen aufgezogen wurden. Dass das alles an Malerei erinnert liegt vor allem daran, dass Lea Luzifer sich der Konvention des Keilrahmens bedient, um ihren Arbeiten Plausibilität als Kunstwerke zu verleihen: Im persönlichen Gespräch sagte sie, dass das Aufziehen auf den Rahmen den Tüchern das nötige Finish gäbe, dass damit allen klar sei, dass es sich um fertige Werke handle.
Damit hat es sich dann aber auch mit dem Malereibezug. Man kann sich zwar an Kompositionen der abstrakten Malerei erinnert fühlen, doch die Arbeiten sind keine Kommentare auf deren Geschichte. Vielmehr sprechen sie die Sprache ihres Ausgangsmaterials: Den Frotteetüchern aus denen sie gemacht sind. Hier findet eine sensible Untersuchung einer visuellen Sprache statt. Was sind das für Motive, mit denen wir gerne unseren Körper abtrocknen? Was hängen wir gerne an die Stange im Badezimmer? Worauf möchten wir gerne am Strand liegend gesehen werden? Im Hinblick auf die Wellnesskultur, auf die der Titel verweist, entsteht eine feinfühlige Auseinandersetzung damit, was uns gut tut, wie wir uns entspannen können und was uns hilft, das Leben zu geniessen. Dass das Augenzwinkern daran seinen Anteil hat, ändert nichts an der Ernsthaftigkeit der Fragestellung.
E
How I believe Lea Luzifer relates to things
I say things, because it seems to me that the starting point for Lea Luzifer’s work is first of all just that: things. Many things. To be precise, they are products. I believe that most of what she engages with artistically springs from her active collecting. Further I believe that she collects things she likes. Sparkling things, happy things, beautiful things. Many of them from the sector of creative leisure, from a store that tends to target women with traditional gender roles. Products that, for example, enable us to make glittering knick-knacks from plastic beads. Beautifully packaged, in a feminine pink, embodying the promise of a good life in comfortable domesticity.
Lea Luzifer relates to such things with affection: she feels attracted to them, wants to possess them and work with them. She enjoys female connotated hobbies and even though she treats them with humour, they are not ridiculed or ironized. And yet she alienates and transforms her source material. An attitude emerges here that I assume at its heart has no unnecessary respect for anything, but is also not built on aggression. Through an interplay of convention and transformation and her interest in beauty, she seems rather to be asking how we wish to live. Every convention can potentially be thrown overboard, but that which pleases and gives pleasure may sometimes remain, as long as she wants to play with it.
The same thing happens in her solo exhibition Wellness Walk at Milieu. She presents a new series of works made from cut-up and re-sown terry cloths, which are subsequently mounted on stretcher frames. That all this seems reminiscent of painting is mainly due to Lea Luzifer employing the convention of the stretcher frame to lend her works plausibility as art. In a personal conversation she said that mounting the towels on frames gives them the necessary “finish” – it makes clear to everyone that these are complete works of art.
But that’s about it with the reference to painting. You might be reminded of the compositions of abstract painting, but the works are not a commentary on this history. Above all, they speak the language of their material, the towels from which they are made. There is a careful examination of a visual language involved here. What are the motifs with which we like to dry our bodies? What do we like to hang in our bathrooms? What do we like to be seen lying on at the beach? With regard to the culture of wellness referenced in the exhibition title, she embarks on a sensitive exploration of what makes us feel good, what helps us to relax and to enjoy life. That there is a knowing wink involved changes nothing about the sincerity of the question posed.
Translated by Kate Whitebread
Mit freundlicher Unterstützung von/Kindly supported by:
Pro Helvetia | Kultur Stadt Bern | Swisslos Lotteriefonds Kanton Bern | Burgergemeinde Bern | Temperatio | GVB Kulturstiftung
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21.05.–25.06.2022
Lea Luzifer
Exhibition Views
D
Wie ich glaube, dass sich Lea Luzifer zu den Dingen verhält
Ich sage Dinge, weil mir scheint, dass der Ausgangspunkt vieler von Lea Luzifers Arbeiten erst mal das sind: Dinge. Viele Dinge. Genauer gesagt, handelt es sich um Produkte. Ich glaube, dass das meiste, was sie künstlerisch behandelt, sich aus ihrer regen Sammeltätigkeit speist. Weiter glaube ich, dass sie Dinge sammelt, die sie gerne mag. Funkelnde Dinge, fröhliche Dinge, schöne Dinge. Vieles aus dem Bereich der kreativen Freizeitgestaltung, aus einem Markt, der tendenziell Frauen mit einem traditionellen Rollenbild als Zielgruppe hat. Produkte also, die einem zum Beispiel ermöglichen, aus Plastikperlen glitzernden Schnickschnack herzustellen. Schön verpackt, feminin pink, mit dem Versprechen nach einem guten Leben in wohliger Wohnlichkeit.
Lea Luzifer verhält sich zu solchen Dingen mit Zuneigung: Sie fühlt sich von ihnen angezogen, möchte sie haben und mit ihnen arbeiten. Sie greift weiblich konnotierte Hobbies gerne auf und wenn sie diese auch mit Humor behandelt, so werden sie doch nicht ins Lächerliche gezogen oder ironisiert. Dennoch verfremdet und transformiert sie ihr Ausgangsmaterial. Hier kommt eine Haltung zum Vorschein, von der ich annehme, dass sie im Kern keinen unnötigen Respekt vor irgendwas hat, aber auch nicht auf Aggression aufbaut. Durch ein Zusammenspiel von Konvention und Transformation und ihrem Interesse an dem Schönen, scheint sie vielmehr danach zu fragen, wie wir leben wollen. Jede Konvention kann potenziell über Bord geworfen werden, doch was gefällt und Freude macht, darf auch mal bleiben, so lange sie damit spielen will.
Dies geschieht auch in ihrer Einzelausstellung Wellness Walk im Milieu. Sie präsentiert hier eine Werkserie aus auseinandergeschnittenen und neu zusammengenähten Frotteetüchern, die anschliessend auf Keilrahmen aufgezogen wurden. Dass das alles an Malerei erinnert liegt vor allem daran, dass Lea Luzifer sich der Konvention des Keilrahmens bedient, um ihren Arbeiten Plausibilität als Kunstwerke zu verleihen: Im persönlichen Gespräch sagte sie, dass das Aufziehen auf den Rahmen den Tüchern das nötige Finish gäbe, dass damit allen klar sei, dass es sich um fertige Werke handle.
Damit hat es sich dann aber auch mit dem Malereibezug. Man kann sich zwar an Kompositionen der abstrakten Malerei erinnert fühlen, doch die Arbeiten sind keine Kommentare auf deren Geschichte. Vielmehr sprechen sie die Sprache ihres Ausgangsmaterials: Den Frotteetüchern aus denen sie gemacht sind. Hier findet eine sensible Untersuchung einer visuellen Sprache statt. Was sind das für Motive, mit denen wir gerne unseren Körper abtrocknen? Was hängen wir gerne an die Stange im Badezimmer? Worauf möchten wir gerne am Strand liegend gesehen werden? Im Hinblick auf die Wellnesskultur, auf die der Titel verweist, entsteht eine feinfühlige Auseinandersetzung damit, was uns gut tut, wie wir uns entspannen können und was uns hilft, das Leben zu geniessen. Dass das Augenzwinkern daran seinen Anteil hat, ändert nichts an der Ernsthaftigkeit der Fragestellung.
E
How I believe Lea Luzifer relates to things
I say things, because it seems to me that the starting point for Lea Luzifer’s work is first of all just that: things. Many things. To be precise, they are products. I believe that most of what she engages with artistically springs from her active collecting. Further I believe that she collects things she likes. Sparkling things, happy things, beautiful things. Many of them from the sector of creative leisure, from a store that tends to target women with traditional gender roles. Products that, for example, enable us to make glittering knick-knacks from plastic beads. Beautifully packaged, in a feminine pink, embodying the promise of a good life in comfortable domesticity.
Lea Luzifer relates to such things with affection: she feels attracted to them, wants to possess them and work with them. She enjoys female connotated hobbies and even though she treats them with humour, they are not ridiculed or ironized. And yet she alienates and transforms her source material. An attitude emerges here that I assume at its heart has no unnecessary respect for anything, but is also not built on aggression. Through an interplay of convention and transformation and her interest in beauty, she seems rather to be asking how we wish to live. Every convention can potentially be thrown overboard, but that which pleases and gives pleasure may sometimes remain, as long as she wants to play with it.
The same thing happens in her solo exhibition Wellness Walk at Milieu. She presents a new series of works made from cut-up and re-sown terry cloths, which are subsequently mounted on stretcher frames. That all this seems reminiscent of painting is mainly due to Lea Luzifer employing the convention of the stretcher frame to lend her works plausibility as art. In a personal conversation she said that mounting the towels on frames gives them the necessary “finish” – it makes clear to everyone that these are complete works of art.
But that’s about it with the reference to painting. You might be reminded of the compositions of abstract painting, but the works are not a commentary on this history. Above all, they speak the language of their material, the towels from which they are made. There is a careful examination of a visual language involved here. What are the motifs with which we like to dry our bodies? What do we like to hang in our bathrooms? What do we like to be seen lying on at the beach? With regard to the culture of wellness referenced in the exhibition title, she embarks on a sensitive exploration of what makes us feel good, what helps us to relax and to enjoy life. That there is a knowing wink involved changes nothing about the sincerity of the question posed.
Translated by Kate Whitebread
Mit freundlicher Unterstützung von/Kindly supported by:
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